Foto-Technik A. Stefsky, Wien IX. : „Zürs – Blick auf Rockspitze-Trittkopf v. Zürsersee“, Silbergelatineabzug, 1930, gelaufen am 16. April 1932 von Zürs nach Stainach; Privatsammlung.

Foto-Technik A. Stefsky, Wien IX. : „Zürs – Blick auf Rockspitze-Trittkopf v. Zürsersee“, Silbergelatineabzug, 1930, gelaufen am 16. April 1932 von Zürs nach Stainach; Privatsammlung.

„Liebe Mama“ – Heimatliche Grüße aus dem Skiparadies

Eine herrliche Aussicht auf ein alpines Panorama im Arlberggebiet bot sich dem Skiläufer nach mühsamem Aufstieg, aber umso genüsslicherer Abfahrt vom Madloch Joch hinab zum Zürser See. Eben dieser Ausblick nach halber Strecke über den See auf Roggspitze und Trittkopf – dazwischen noch die mächtige Valluga, die in der Bildbeschriftung aber keine Erwähnung gefunden hat – wurde auf dieser Fotopostkarte von 1930 festgehalten: ein eindrucksvolles Spiel von Licht und Schatten in einer sich von sanften verschneiten Hängen hin zu schroffen Gipfeln wandelnden Bergwelt. Der Mensch in Gestalt eines Skifahrers – mehr Staffage als Individuum – stellt den bewundernden Beobachter dieser Idylle, liefert den Beweis für ein „Ich war dort“. Auf den zweiten Blick sind aber unzählige andere Spuren im Schnee zu erkennen, die den idyllischen Gedanken an unberührte Natur stören. Sie sind ein deutliches Zeichen dafür, dass zu dieser Zeit die Berge auch im Winter bestens frequentiert waren. Gute zwanzig Jahre nach der erstmaligen Besteigung der im Bild befindlichen Berggipfel mit Skiern präsentierte sich Zürs am Arlberg als beliebte Wintersportdestination mit all dem Drumherum, wie wir es heute kennen, und als Ziel einer immer größer werdenden Anzahl enthusiastischer Wintersportler.

Skilaufen war wie andere Bergsportarten damals sehr populär, körperliche Ertüchtigung in der Natur diente der Flucht aus dem städtischen Leben und gebräunte Haut nach einem ausgiebigen Sonnenbad – am besten gleich nackt – im verschneiten Gebirge, der sogenannten „Fechsung“, zeugte von einem gesunden Lebensstil. Zu welchem Zweck genau sich der Schreiber dieser Karte im April 1932 in Zürs aufgehalten hat, können wir nur vermuten; der an seine Mutter adressierte Text gibt lediglich Aufschluss über die geplante Rückkehr nach Wien. Die Wahl der Ansichtskarte legt aber nahe, dass er wohl zum Skilaufen in den Bergen war, sei es für erste Versuche auf den Übungshängen rund um die mondänen Hotels oder für eine geführte Bergtour auf einen der zahlreichen Gipfel in der Arlbergregion. Eine solche Bergtour ohne jegliche Aufstiegshilfen – das Arlberggebiet verfügte zu Beginn der 1930er Jahre noch über keine Bergbahnen – wurde als das „richtige“ Abenteuer angesehen und war für Leute, welche die notwendigen bergsteigerischen Erfahrungen nicht mitbrachten, ohne angemieteten Skiführer kaum zu bewerkstelligen. Deren gab es viele und die Erfolgreichen unter ihnen waren, wenn sie nicht gerade Wintergästen die hohe Skifahrkunst in Form der Arlbergtechnik beibrachten, die Helden in den berühmten Skifilmen dieser Zeit, was die Popularität des Sports noch zusätzlich erhöhte.

Ansichtskarten transportierten durch ihre weitreichende postalische Verbreitung imposante Bilder der alpinen Heimat in sämtliche Regionen des Landes. Fotografen beziehungsweise Verleger, wie der Autor der vorliegenden Karte, Adolf Stefsky aus Wien, spezialisierten sich auf ihren Vertrieb mit einer entsprechend großen Auswahl an Motiven, wie die einbelichtete Plattennummer des Herstellers andeutet. Gleichzeitig prägten solche Bilder – zusammen mit jenen von einer traditionellen bäuerlichen Welt – die Vorstellung von Heimat, die in den 1920er Jahren und in den darauf folgenden Dekaden vorherrschend war und in einer national ausgerichteten Fotografie zum Ausdruck kam.

Können diese Motive immer noch ein Gefühl von „Heimat“ auslösen? Auch wenn der damalige Heimatbegriff überholt sein dürfte, so muss der gewählte Blick der Fotografie auf dieser Postkarte in der heutigen Zeit jedenfalls das Herz aller naturliebenden Skiläuferinnen und Skiläufer höher schlagen lassen, vor allem im Wissen darüber, dass mittlerweile wenigstens fünf Berg- beziehungsweise Talstationen von Bergbahnen und Sesselliften genau diesen Ausblick trüben. Welche Ironie, dass der Arlberg auch schon Mitte der 1920er Jahre als „überlaufen“ galt, als die Wintersportler noch nicht zu Zehntausenden maschinell auf die Gipfel gekarrt wurden.

Martin Keckeis



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