Verlag C[arl]. Ledermann jun., Wien I.: „Neues Polizei-Gefangenenhaus“, 1904, Lichtdruck, ungel.; Slg. Photoinstitut Bonartes; fotografische Aufnahme mit dem Bertillon’schen Apparat im neuen Polizeigebäude, Kriminalmuseum Wien/Scharnstein (Abb. 3)

Verlag C[arl]. Ledermann jun., Wien I.: „Neues Polizei-Gefangenenhaus“, 1904, Lichtdruck, ungel.; Slg. Photoinstitut Bonartes; fotografische Aufnahme mit dem Bertillon’schen Apparat im neuen Polizeigebäude, Kriminalmuseum Wien/Scharnstein (Abb. 3)

Verlag C[arl]. Ledermann jun., Wien I.: „Neues Polizei-Gefangenenhaus“, 1904, Lichtdruck, ungel.; Slg. Photoinstitut Bonartes; fotografische Aufnahme mit dem Bertillon’schen Apparat im neuen Polizeigebäude, Kriminalmuseum Wien/Scharnstein (Abb. 3)

Das neue k. k. Polizei-Gebäude an der Elisabethpromenade in Wien

1899 beschloss der Gemeinderat unter Bürgermeister Karl Lueger, das sich in desolatem Zustand befindliche Wiener Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse 2 im sechsten Bezirk möglichst rasch zu schließen. In den darauffolgenden Jahren sollte ein neues, modernes Polizeigebäude an der Elisabethpromenade (heute Rossauer Lände) im neunten Bezirk erbaut werden. Für die Schaffung des entsprechenden Bauareals von 7500 Quadratmetern mussten fünf Häuser weichen, um dem Sicherheitsbüro, dem Meldeamt, Gefängniszellen und Amtswohnungen sowie dem Kriminalbüro, dem Erkennungsdienst samt Fotoatelier und dem Polizeimuseum Platz zu schaffen. Die hier gezeigte Postkarte mit dem neuen „Polizei-Gefangenhaus“ (Abb. 1, 2) muss gleich nach Fertigstellung des neuen Gebäudes im April 1904 entstanden sein, denn die Rückseite der Karte des großen Postkartenverlags Carl Ledermann jun. zeigt noch eine ungeteilte Adressseite, wie sie nur noch bis November 1904 in Österreich-Ungarn vorgesehen war.

Im obersten Stockwerk des Hauses befindet sich das erste professionelle Wiener Polizeiatelier, das auf der Postkarte auch zu erkennen ist. Architektonisch beeinflusste dieses Atelier das Aussehen des Gebäudes insofern, als der Aufbau mit seinen Dunkelkammern und dem dazwischenliegenden Fotoatelier mit Glasdach als Mittelrisalit gestaltet die Gruppierung der Fassade zum Donaukanal hin dominierte. In fototechnischer Hinsicht war diese Ausrichtung nicht ideal, wie Josef Maria Eder – damals Direktor der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien – in seinem Gutachten vom 27. Februar 1903 monierte: Die Front des Ateliers war nicht nach Norden, sondern nach Osten ausgerichtet. Eder warnte deshalb sowohl vor dem grellen Lichteinfall als auch vor der unerträglichen Hitze im Sommer. Er empfahl entsprechende Vorkehrungen zu treffen und Beleuchtungsschirme, Ateliergardinen, Ventilations- und Belüftungsanlagen zu installieren.

Zwar existierte zuvor schon ein provisorisches Atelier, untergebracht in einem ehemaligen Pferdestall im Hof der berüchtigten Theobaldgasse; doch waren diese Räumlichkeiten so feucht und die Ausrüstung derart mangelhaft, dass die Polizisten sich immer wieder in gewerblichen Ateliers und in der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt einmieten mussten, um ihre fotografischen Arbeiten verrichten zu können. Nicht nur Eder beklagte diesen Übelstand, denn die ständigen Anfragen der Polizei hielten den Schulbetrieb auf, sondern auch der Leiter des Erkennungsdienstes Camillo Windt merkte in einem Rechtfertigungsschreiben betreffend den Neubau Folgendes an: „Dies [die Einmietung] geschieht nicht etwa sehr selten, sondern zum Überdrusse der Besitzer der betreffenden Ateliers, welche mit Rücksicht auf die doch geheim zu haltenden photographischen Arbeiten ihre Manipulationsräume und Vorrichtungen dem Polizeiphotographen ganz überlassen müssen, alle Augenblicke.“

Die gesamte Atelierausstattung, die kaum Kriminalistenwünsche offenließ, lieferte die namhafte Wiener Firma R. Lechner (Wilh. Müller): Dazu gehörten ein Leiterstativ für Tatortaufnahmen von oben ebenso wie Weitwinkelobjektive für das Fotografieren in schmalen Räumen, Momentkameras für Straßenaufnahmen, Vergrößerungs- und Kopierapparate sowie natürlich ein Bertillon’scher Apparat für die in den 1890er-Jahren eingeführte standardisierte Porträtfotografie von Tatverdächtigen im Profil und en face (Abb. 3). Auf die hochwertige Ausstattung des Ateliers legte die Polizeidirektion besonderen Wert, denn die Anforderungen an die Polizeifotografie stiegen um die Jahrhundertwende enorm – bedingt durch den Wunsch nach Kooperation und einem bildbasierten, sprachunabhängigen Austausch der Polizeidirektionen auf internationaler Ebene. So schrieb Windt als Argument für die Einrichtung: „Je größer die Erfolge der polizeilichen Photographie aber waren, umso höhere Ansprüche wurden an das polizeiphotographische Atelier gestellt – in quantitativer Hinsicht sowohl als auch in qualitativer Hinsicht.“ Zwischen 1900 und 1908 fertigte das Wiener Polizeiatelier jährlich zwischen 4000 und 7000 Personen- und Tatortaufnahmen an. Ab 1904 kam die Daktyloskopie – also die Fingerabdrucktechnik zur Personenidentifikation – hinzu. Ein professionell ausgebildeter Fotograf sollte dieses erste Polizeiatelier in Wien leiten. Die Wahl fiel auf einen von Eder empfohlenen „sehr tüchtigen“ Schüler und Assistenten an der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt namens Emil Wrbata, der 1899 in den Polizeidienst eintrat.

Hanna Schneck, 11. August 2020



Permalink: https://postkarten.bonartes.org/index.php/herausgegriffen-detail/Das-neue-k.k.-Polizei-Gebaeude-an-der-Elisabethpromenade-in-Wien.html

Zurück