Ein Dauerflug in 20 Meter Höhe
„Zum Zwecke der Förderung des mechanischen Flugwesens“ ließ die Gemeinde Wiener Neustadt im Sommer 1909 eine 5 Kilometer lange Wiese einebnen und eine große Baracke als Hangar errichten. Damit war Österreichs erster Flugplatz geschaffen. Am 19. Februar 1910 stellte Adolf Warchalowski hier einen unerhörten Rekord auf: Im Zuge der Konkurrenz um den „1. österreichischen Aviatiker-Preis“ gelang ihm ein „Dauerflug“ von 15 Minuten und 20 Sekunden in einer Höhe von 20 Metern. Er umrundete dreimal das Flugfeld und wurde von einem Publikum von mehr als 1000 Schaulustigen stürmisch gefeiert. Wenn man dieses fliegende Vehikel auf unserem Foto genauer in Augenschein nimmt, fällt es schwer zu glauben, dass eine so filigrane Konstruktion überhaupt zusammenhalten konnte und nicht sofort zerbrach. Es ist kein Wunder, dass schönes Wetter und Windstille eine wesentliche Voraussetzung für jede der zahlreichen Veranstaltungen auf Österreichs erstem Flugfeld waren und die Piloten als furchtlose Helden galten. Adolf Warchalowski war der Bruder des Direktors der Österreichischen Industriewerke Werner & Pfleiderer, die Anfang 1910 in das Geschäft mit den „fliegenden Kisten“ einstiegen. Allerdings setzten sie nicht wie der Pionier Igo Etrich auf Eigenentwicklung, sondern bauten ein seit 1908 erfolgreiches französisches Flugzeug, den Farman-Doppeldecker, in Lizenz nach. Daher kann es nicht verwundern, dass der Rekordflug mit dem „Firmenflugzeug“ von Werner & Pfleiderer absolviert wurde.
Sofort mit der Eröffnung des Flugfelds hatte sich die illustrierte Postkarte als zentrales Bildmedium der beliebten Fliegerevents etabliert. Sie erschienen jeweils kurz nach der Veranstaltung. Die zum 19. Februar produzierten Karten gab es nicht nur mit dem Aufdruck „Flugfeld Wr. Neustadt“, sondern auch in einer Version, die den Zusatz „Farman“ trug. Man kann die Teilnahme Warchalowskis zu Recht nicht nur als sportliches Ereignis ansehen, sondern auch als höchst erfolgreichen Werbeauftritt für das Unternehmen seines Bruders.
Die Abkürzung „A. J. K.“ steht für den Verlag von A. Josef Kuderna. Er hatte seinen Sitz direkt vor Ort und „publizierte mit Abstand die meisten Postkarten zum Thema ‚Aviatik in Wiener Neustadt‘. Ab Mai 1910 wiesen seine Postkarten das gleiche Erscheinungsbild auf, welches er bis 1919 beibehielt. Er schuf sich damit eine ‚Corporate Identity‘ – mit einem Blick erkennbar, das ist eine ‚Kuderna‘.“[1]
Monika Faber, 9. Februar 2023
[1] Marcus Zelezny, Aviatik in Wiener Neustadt (1909–1912). Geschichte auf Postkarten, Salzburg: Stanger, 2022, S. 252.
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