

Ein versandfertiges Prager Jesuskind
Zeiteffiziente Formen der Korrespondenz waren um 1900 nicht nur beim Versand von weltlichen, sondern auch sakralen Gütern gefragt, wie diese im November 1909 verschickte Postkarte der Wiener Buch-, Kunst- und Paramentenhandlung Johann Heindl demonstriert. Unter einem Reklamebild, welches das Portal des prominent im Erzbischöflichen Palais am Wiener Stephansplatz angesiedelten „Hoflieferanten seiner Heiligkeit“ zeigt und Schaufenstereinblicke in das dort erhältliche Sortiment an Kruzifixen, Gemälden, Marienstatuen, Jesusfiguren, Weihrauchschwingern, Kerzenständern und Monstranzen gewährt, sorgt ein vorgedrucktes Formular für reduzierten Schreibaufwand bei der Ausfertigung von Bestell- und Versandbestätigungen. Nur mehr der Name der bestellenden Person, das Eingangsdatum der Bestellung, eine kurze Produktbeschreibung und die voraussichtliche Versandzeit mussten ergänzt werden. Im vorliegenden Fall konnte sich der Besteller, der Pfarrer von Altenmarkt an der Ysper, auf eine zeitgerechte Lieferung des vorweihnachtlichen Ankaufs für seine Kirche freuen: „Eurer Hochwürden / Den geschätzten Auftrag vom 20. 11. auf 1 Prager Jesukind samt Kleidchen u. Krone bestätige ich hiermit dankend und bringe zur geneigten Kenntnis, daß die Versendung in 3–4 Tg. [Tagen] erfolgen wird“, ist hier zu lesen, gezeichnet „mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung“.
Die vorliegende Karte lässt sich gleichsam als Dokument des Übergangs in einer größeren Entwicklung im Bereich der Postkarte lesen, die mit dem langsamen Transfer des klassischen Geschäftsbriefs ins kompaktere Format Postkarte beginnt und bei der Entstehung firmeneigener „Reklamepostkarten aus Trägerbild und Trägertext“ endet. Anett Holzheid beschreibt diese Entwicklung in ihrem Buch Das Medium Postkarte (Berlin 2011) vor dem Hintergrund der Optimierung und Beschleunigung von Kommunikationsflüssen im Austausch von Dienstleistungen und Waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor- und Nachbereitungen von geschäftlichen Transaktionen seien nun immer seltener über das Medium Brief, sondern verstärkt via Postkarte und Telegramm erledigt worden. Hatten Händler:innen, so Holzheid, zunächst noch Preislisten auf reguläre Korrespondenzkarten handgeschrieben und gedruckt, so wurden um 1900 verstärkt firmeneigene Karten mit Portalabbildungen produziert und in Umlauf gebracht.
Nicht nur Bestellbestätigungen erfolgten häufig via Postkarte, sondern auch die Bestellungen selbst – teilweise, so Anette Holzheid, auch als Antwort auf erhaltene Werbepostkarten oder Zeitungsannoncen. Die Paramentenhandlung Johann Heindl, die auch eine Zweigstelle in Linz betrieb, war seit den 1870er Jahre äußerst aktiv im Anzeigengeschäft und inserierte nicht nur, aber vor allem in christlichsozialen und katholischen Zeitungen und Zeitschriften in der gesamten Monarchie. Gemälde und Kunstobjekte wurden ebenso beworben wie „zum Ende des Schuljahres Heiligenbilder für Prämien“ (Grazer Volksblatt, 4. Juni 1880). Zeitungsmeldungen um 1900 zeigen aber auch, dass das Geschäft des Kunst- und Buchhändlers Johann Heindl (1847–1932), der auch christlichsozialer Politiker und von 1908 bis 1918 Mitglied des Wiener Gemeinderats und Stadtrat war, kein reiner Verkaufs- und Versandort, sondern durchaus auch ein Ort der politischen Agitation war. So vermeldete etwa das Salzburger Kirchenblatt am 13. Juni 1906, dass Petitionsbögen für die Protestpetition des Katholischen Zentralkomitees gegen die „freimaurische Ehereformbewegung in Österreich“ im Geschäft von Johann Heindl aufliegen würden; die Petition, so der Appell des Blatts, sollte von allen unterstützt werden, die „kraft ihres Berufes oder Amtes über die Unversehrtheit und Heiligkeit der christlichen Ehe und Familie zu wachen haben oder denen das wahre Volkswohl am Herzen liegt“.
Ob auch „Hochwürden Franz Hiebl“ in Altenmarkt an der Ysper auf eine Annonce von Johann Heindl reagiert und seine Bestellung via Postkarte abgeschickt hatte, bleibt offen. Die wohl noch vor der allgemeinen Teilung der Adress-Seite im November 1904 gedruckte Karte mit der Bestellbestätigung, die er erhielt, war vom Geschäft in dieser Form jedenfalls nur mehr wenige Wochen einsetzbar: Denn der dreistellige Datumsvordruck für die Jahreszahl (190…) ließ kein Überschreiten des Jahres 1909 zu.
Martina Nußbaumer, 5. Mai 2025
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