Hofmann, Leder u. Co., Meißen (Verlag), „Reichenberg i[n]. B[öhmen].“, gelaufen 1903, Mehrfarblichtdruck, Slg. Technisches Museum Wien

Hofmann, Leder u. Co., Meißen (Verlag), „Reichenberg i[n]. B[öhmen].“, gelaufen 1903, Mehrfarblichtdruck, Slg. Technisches Museum Wien

„Erlaube mir die Sammlung der Ansichten von Postämtern zu bereichern“ – Postämter als Sammlungsmotiv im k. k. Postmuseum

Am 18. Februar 1903 in Reichenberg aufgegeben und schon am nächsten Tag in Wien zugestellt, zeigt die kolorierte Ansichtskarte ein bis in die 1920er-Jahre wiederkehrendes Fotomotiv aus Reichenberg. Die Ansicht wird von einem Prachtgebäude dominiert, das mehr als die ganze linke Bildhälfte einnimmt, ein zweites schließt den rechten Bildrand ab. Die beiden Gebäude, die genauso gut an der Wiener Ringstraße stehen könnten, sind sich in ihren historistischen Fassaden so ähnlich, dass es die rote Beschriftung im Bild zur Kennzeichnung ihrer Funktion braucht: „Stadttheater“ links, und das „K. K. Post- und Telegraphen-Amt“ rechts. Auch wenn der Fotograf das Theater in den Bildmittelpunkt gerückt hat, ist es das Postgebäude, weswegen die Karte gekauft wurde. Die knappe Mitteilung im Schriftfeld lautet „Nächstes Post-Amt aus Falkenau b[e]y Eger d. h. wenn ich eines bekomme. 18/II 1903. Besten Gruß Strobl“. Absender war der Wiener Amateurfotograf Josef Strobl, Ehemann der Industriefotografin Marianne Strobl.

Besagte Karte trägt die Signatur PK-1150 und stammt aus der umfangreichen Korrespondenzkartensammlung des Technischen Museums Wien. Sie gehört zu einem Bestand von rund 270 Ansichtskarten, die Postämter, überwiegend in der österreichischen Reichshälfte, zum geringen Teil in Deutschland und Ungarn, zeigen (PK 1124-1395). Ist das Postgebäude selbst nicht abgebildet, sind Pfeile, Kreuze, Sterne oder Posthörner in die Ortsansicht eingezeichnet, die auf den Standort des Postamts verweisen. Die zwischen 1895 und 1908 verschickten bebilderten Korrespondenzkarten sind mit wenigen Ausnahmen an einen einzigen Empfänger in Wien gerichtet: Dr. Eduard Maria Schranka.

Schranka (1850–1916), Schriftsteller und hauptberuflich „Post-Ober-Offizial“ im Handelsministerium, gehörte zu jener Riege an Postbeamten, die ab den 1890er-Jahren ihr Talent im Malen oder Schreiben „ex offo“ in den Dienst der k. k. Post stellten, vor allem in den Dienst des 1891 gegründeten k. k. Postmuseums in der Wiener Rotunde. Dem Postmuseum von Beginn an mit Spenden von Druckwerken oder Kleinobjekten verbunden[1] und ab 1894 an der Gestaltung der Schausammlungen im Postmuseum beteiligt,[2] war er spezialisiert auf das literarische Kleinformat in Form von Feuilletonbeiträgen und kulturgeschichtlichen Abhandlungen im Plauderton. Er arbeitete im Postmuseum vermutlich in der „Historischen Abtheilung“ mit, wo der „vaterländische“ Postbetrieb vor 1850 in der damals üblichen Sichtweise aufbereitet wurde: als institutionelle Betriebsgeschichte, unter den Auspizien des Staates und in den Bahnen des Fortschritts. Die Geschichte der Post fand ihren Ausdruck in einer bunten Austriaca-Mischung aus Hunderten von Objekten, Bildern und Archivalien in Vitrinen und Pultkästen. Die vielfach kleinen Relikte standen pars pro toto für den historischen Postbetrieb. Dieser Zugang mag Schranka entgegengekommen sein, bedenkt man sein Interesse und Talent für die kleine Form in der Literaturproduktion. Insofern mag Schranka auch an der illustrierten Korrespondenzkarte besonderen Gefallen gefunden haben, die auf die Postwege die große weite Welt im Kleinformat nach Hause lieferte. Mitte der 1890er-Jahre begann er, Fotopostkarten mit Ansichten von Postämtern zu sammeln.

Die Ansichtskarten ließ sich Schranka von Kollegen und Freunden auf Dienst- oder Urlaubreisen zuschicken („Erlaube mir die Sammlung der Ansichten von Postämtern zu bereichern“, PK-1147). Sie waren offenbar für das Museum gedacht („Nach alter Gewohnheit für Dein Postmuseum die Post von Senftenberg …“, PK-1263). Warum aber vorrangig Postämter?

Die Anregung könnte aus dem Postmuseum gekommen sein, dessen Fokus auf neuen und alten Postbauten lag. In den Schauräumen wurden die neuesten k. k. Postzentralen als goldgerahmte Aquarelle vorgeführt. Dazu kamen die „Posthäuser“ des 18. und 19. Jahrhunderts. In einem Zeitungsbericht über das Postmuseum fungierten die neuen Postbauten in den Kronländern als Indikatoren für die monarchieweite Verdichtung der Postdienste. Wenn man, so der Bericht, schon im zweiten Saal „das Modell des 1889 errichteten neuen Postamtsgebäudes in Czernowitz, sowie die Abbildungen der anderen neuen Postbauten, welche im letzten Decennium errichtet worden sind, betrachtet, kann man sich von dem erwähnten Aufschwunge überzeugen; es sind zum größten Theile wahre Paläste, in denen die Postanstalten untergebracht sind […] In Heften und Mappen sind die Baupläne der neuen Gebäude ausgestellt.“[3]

Es waren häufig die „Paläste“ des Wiener Oberbaurats Friedrich Setz (1837–1907),[4], die im Postmuseum so prominent herausgestellt waren. Unter seiner Leitung wurden bis 1900 insgesamt 26 Postgebäude errichtet, deren prächtige Schaufassaden im Neorenaissancestil wie die neobarocken Theaterbauten von Fellner & Helmer eine technisch hochmoderne und standardisierte Infrastruktur ummantelten – ob in Graz, Czernowitz, Karlsbad, Bregenz oder eben Reichenberg oder Prag. Allein im Jahr 1894 wurden vier Postbauten von Setz eröffnet, darunter der kolossale Palazzo della Poste in Triest.

Abgesehen von diesen Palästen waren Ansichten von weniger illustren Postämtern in Kleinstädten schwieriger zu bekommen, obgleich sie im österreichischen Postnetz die Mehrzahl stellten. Jede dritte Karte, die Schranka erhielt, waren Ortsansichten, auf denen Markierungszeichen in Bleistift oder Tinte den Standort des Postamts bezeichneten, das begehrte Motiv selbst aber unsichtbar blieb, wofür sich Absender am Kartenrand entschuldigten: „Eine Karte mit dem Postgebäude allein ist leider nicht erhältlich.“ (PK-1139) Zugestellt wurden hierbei weniger Ansichten von Postbauten als vielmehr „Nicht-Ansichten“, in der die Beschriftung das fehlende Motiv kompensieren musste: „Das große Gebäude im Mittel-Grund ist das Rathaus, in welchem sich außer einem Friseur, einem Zuckerbäcker, der Polizeiwachstube auch das Postamt befindet. Dasselbe befindet sich in dem Seitenteil links, der auf dem Bild auch sichtbar ist“ (PK-1226). In einem Fall schrieb sich die Beschriftung mitten ins Bild ein, mit Tinte, direkt auf die fotografierte Fassade: „K. K. Post- u. Tel.-Amt“ (PK-1143). In einem anderen Fall fand ein Absender „endlich“ eine Karte mit dem gewünschten Postamt und versprach: „Eine deutlichere Aufnahme wurde mir von einem Amateurfotografen versprochen.“ (PK-1264)

Für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sind rund 250 Ölbilder und Aquarelle mit Szenen aus dem Postbetrieb, Postbauten und Porträts von Postbeamten im Inventarverzeichnis des Postmuseums ausgewiesen. Auch Fotografien wurden als Exponate eingesetzt; um 1910 dürften es 140 bis 150 Stück gewesen sein. Allerdings wurde die Wirkung der schwarzweißen und kleinformatigen Abzüge auf das Publikum im Vergleich zu gemalten und goldgerahmten bunten Bildern als gering erachtet. Lange Zeit hindurch malten deshalb talentierte Postbeamte wie Carl Gutsch, Richard Tonetti oder Ludwig Girardi für das Museum Aquarelle, die Gebäude, Beamte oder Fahrzeuge des Postdienstes zeigten, aber auch römische Meilensteine aus diversen Museen, die man sehr wohl mit der Kamera hätte festhalten können. In einem Fall wurden aktuelle Lichtbildporträts hochrangiger k. k. Postbeamter nachträglich zu Ölbildern kopiert. Es mag durchaus sein, dass Schrankas Fotopostkarten als Vorlagen für weitere Aquarelle oder Ölbilder neuer oder alter k. k. Postbauten dienen sollten; ein philatelistischer Sammlungsgegenstand wurden sie erst mit ihrer Musealisierung viele Jahrzehnte später.

Kurz vor dem Umzug des Postmuseums ins neuerbaute Technische Museum 1913/14 empfahl der Vorstand den systematischen Erwerb und Einsatz professionell belichteter und vergrößerter Fotografien für Ausstellungszwecke. Unter Verzicht auf Farbigkeit sollten die rationellere Fotografie die vermehrte Anzahl der modernen Post-, Telegrafen-, Telefon- und Rohrpostämter außen und innen dokumentieren, aber auch „szenische Darstellungen aus dem Betriebsdienste“ präsentieren. Ausdrücklich betont wurde der Wunsch nach bestmöglicher Bildwirkung. Die „Authentizität“ spielte dabei keine vorrangige Rolle. Abgelichtete Betriebsszenen in Telefonzentralen waren bekanntermaßen genauso „gestellt“ wie Öl- oder Aquarellbilder vom Maler komponiert wurden. Die Kostenersparnis machte Fotografien als Ausstellungsmedium ungleich attraktiver; 1912 wurden die Mindestkosten „eines nur halbwegs gelungenen Aquarellbildes“ auf das Fünf- bis Zehnfache einer fotografischen Vergrößerung geschätzt.

Aus diesem Blickwinkel heraus ist es vielleicht zu erklären, dass aus den Jahren nach 1908 im Archiv vor allem großformatige Abzüge von Fotografien von Postbauten, Vermittlungssälen und Telekommunikationstechnik mit dem Stempel „K. K. Postmuseum“ zu finden sind. Ansichtskarten kamen nur mehr in Form von Nachlässen ins Postmuseum, als Artefakte ihrer selbst, versehen mit herzlichen Urlaubsgrüßen.
Mirko Herzog, 29. Oktober 2025

[1] Vgl. Spendenlisten in „Post- und Telegraphen-Verordnungsblatt“ 1890, Nr. 51, S. 207; 1893, Nr. 113, S. 484; 1894, Nr. 99, S. 461; 1895, Nr. 36, S. 187; 1896, Nr. 15, S. 87, Nr. 108, S. 516.

[2] Vgl. Deutsches Volksblatt, 10.12.1896, S. 7; Reichspost, 13.11.1894, S. 263; auch. Schranka, Oesterreichisches Post-Stammbuch, Brüder Mändl, Wien 1896, VIII.

[3] Oesterreichische Verkehrszeitung Nr. 28, Wien, 11. Juli 1894, S. 217 f. („Das k. k. Postmuseum in Wien“); vgl. auch Führer durch das K. K. Post-Museum, II. Aufl., Wien 1894, S. 3–8, S. 19–22, auch Ausgabe 1907, S. 5–10.

[4] Vgl. Rosenbichler, Sandra. Der Architekt Friedrich Setz (1837–1907). Bauten der Post in den österreichischen Kronländern. – Diplomarbeit TU Wien, 2012; auch Czurda, Kurt A. K. K. Postämter und k. k. Staatsbahndirektionen. Zur Architektur historistischer Monumentalbauten des Ärars in den Kronländern und Provinzen der Donaumonarchie. – Dissertation Univ. Wien, 2014.



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