Friede!
„Die Bedeutung der Feldpost kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“ (Stefan Zweig, Neues Wiener Journal, 5.1.1916). Der Erste Weltkrieg, die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts, erschütterte die Gesellschaft in ihren Grundfesten, während die Feldpost und damit auch das Medium Postkarte florierten. In den Kriegsjahren wurden täglich mehrere Millionen Postsachen zwischen Front und zu Hause hin- und hergeschickt – zu einem großen Teil auf Staatskosten finanziert.
Dem achtsamen Betrachter ist bei der vorliegenden Postkarte die Absenz der Briefmarke, die sonst einen so prominenten Platz einnimmt, sicher nicht entgangen. Briefe bis 100 g und Korrespondenzkarten waren vom Porto ausgenommen, vorausgesetzt der Adressat befand sich nachweislich im Feld. Allein in der k. u. k. Monarchie wurden über 820 Millionen Feldpostkarten kostenlos zum Gebrauch verteilt. Feldpost war sowohl organisatorisch als auch finanziell mit ungeheurem Aufwand verbunden, der allerdings staatstragende Notwendigkeit hatte.
Der Krieg riss Familien auseinander, und die Anspannung ob der Ungewissheit war auf beiden Seiten groß. Die häufige Korrespondenz stellte eine Möglichkeit dar, in Kontakt zu bleiben, aber das Medium barg auch Gefahren, wenn nämlich befürchtet werden musste, dass die Kampfmoral durch so genannte „Jammerbriefe“ untergraben wurde. Frauen standen in besonderem Verdacht, allzu klagend und negativ über die entbehrlichen Zustände zu Hause zu berichten und so ihre Männer an der Front zu demoralisieren. Die Briefe und Karten unterlagen darum der Zensur: Zunächst wurden alle Postsachen kontrolliert, aber aufgrund der massiven Sendungszahlen musste auf Stichproben übergegangen werden.
Im September 1916 erhielt der Infanteriesoldat Lorenz Hromada eine Postkarte von daheim. Es ist der Kontrolle offensichtlich entgangen, dass seine Schwester darin über den Mangel an Brot klagt. Aber auch das Motiv der Postkarte selbst deutet auf Kriegsverdruss hin. Verlage wie die deutsche Albrecht & Meister AG (Amag) produzierten dem Anlass entsprechend speziell sentimentale Motive, und so ist auf der Bildseite eine Fotocollage abgebildet mit der hoffnungsvollen Fürbitte, dass bald wieder Frieden herrschen soll. Ein Mädchen und eine junge Frau blicken sehnsüchtig dem Rezipienten der Botschaft entgegen, im Hintergrund führt eine lange Treppe zu einer wolkenverhangenen Ebene. Nur eine kleine Lücke, die sich verheißungsvoll öffnet, gibt den Blick frei auf ein Häuschen, so fern und schemenhaft, als ob die Möglichkeit je wieder zurückzukommen, weniger realitätsbezogen als eher fantastisch-träumerisch erschiene.
Durchhalteparolen schickte die Schwester jedenfalls keine, viel eher wollte sie von ihrem Bruder wissen, „ob der Krieg schon bald zu Ende ist“. Es war eine häufige Frage der Daheimgebliebenen an die Frontsoldaten, als ob sie – so nahe am Geschehen – vielleicht doch mit anderen Informationen als die Presse aufwarten könnten. Die Soldaten wiederum hofften auf genau jene Nachrichten aus Tageszeitungen über den Verlauf des Krieges: „Wenn die Feldpost kommt, ist alles gespannt, ob nicht was vom Frieden in den Zeitungen oder Briefen steht […]“ (Anonym, Arbeiter Zeitung, 1. Jänner 1916)
Über Lorenz Hromadas Schicksal ist nichts weiter bekannt, nur dass er kurz nach dem Erhalt der Karte im Kampf verletzt wurde. Ob er den Krieg überstanden und seine Schwester je wiedergesehen hat, wissen wir nicht.
Magdalena Vukovic
Literatur: Ines Rebhan-Glück, Die Feldpost im Ersten Weltkrieg: http://ww1.habsburger.net/de/themen/die-feldpost-im-ersten-weltkrieg
Permalink: https://postkarten.bonartes.org/index.php/herausgegriffen-detail/Friede.html