Verlag Anton Schlauer, Graz: „Narodni-Dom v Mariboru“, Kombinationsdruck (?), nach Oktober 1904, datiert u. gelaufen 1907 von Maribor nach Ljubljana; Slg. Universitätsbibliothek Maribor (https://gams.uni-graz.at/o:polos.759)

Verlag Anton Schlauer, Graz: „Narodni-Dom v Mariboru“, Kombinationsdruck (?), nach Oktober 1904, datiert u. gelaufen 1907 von Maribor nach Ljubljana; Slg. Universitätsbibliothek Maribor (https://gams.uni-graz.at/o:polos.759)

Sprache und Macht

Auf den ersten Blick scheint an der Postkarte nichts irritierend: Ein Trachtenpaar mit Gitarre und Zither, farbenfroh koloriert und kombiniert mit der Ansicht eines gründerzeitlich anmutenden Gebäudes. Ein kleiner Amor mit Pfeil deutet einen amourösen Zusammenhang an, während der Hintergrund die Szene in einem alpinen Ambiente situiert. Doch eine Karte wie diese war für manche Zeitgenoss*innen nicht einfach eine ansprechend gerahmte topografische Ansicht – sondern ein Politikum.

Die Karte nämlich ist slowenisch beschriftet und zeigt eine Ansicht des ‚Narodni dom‘, also des Versammlungshauses slowenischer Bürgerinnen und Bürger einer Stadt, die bis 1918 Marburg an der Drau hieß, zum Kronland Steiermark innerhalb der Habsburgermonarchie gehörte und als deutsche Sprachinsel in einem überwiegend slowenischsprachigen Umland galt. Wie Karl Kraus im Jahr 1899 in der Fackel über die „südsteierischen Affairen“ und den „hier in seiner hässlichsten Form wüthenden Nationalitätenstreit[…]“[1] berichtet, war diese über Jahrhunderte von Mehrsprachigkeit geprägte Region bereits von Nationalismen beider Seiten affiziert. Der Deutschnationalismus war dabei allerdings eindeutig in der stärkeren Position. Beschäftigt man sich mit Postkarten der Untersteiermark / Spodnja Štajerksa, so wird die erhebliche gesellschaftliche Asymmetrie sichtbar, die zwischen Deutsch- und Slowenischsprachigen bestand. So können Karten wie die gezeigte als Rarissima gelten: Denn für Maribor/Marburg sind fast ausschließlich deutsch bedruckte Karten erhalten.

Hinter dem Arrangement von Bild- und Textelementen stand in diesem Fall der Grazer Verleger Anton Schlauer. Sein Sortiment ist in sprachlicher Hinsicht eigentlich nicht ungewöhnlich: Wie die meisten anderen Verleger produzierte er Postkarten in denjenigen Sprachen, nach denen jeweils die größte Nachfrage bestand. So legte er etwa mehrere hundert Graz-Motive auf Deutsch auf, produzierte aber genauso slowenisch oder zweisprachig bedruckte Postkarten für die Untersteiermark / Spodnja Štajerska. Für letztere adaptierte er auch die Verlagsdaten und führte sich slowenisch als „Zaloga, A. Schlauer v. Gradcu“ (vgl. die Abbildung der Adressseite). Auch für Maribor/Marburg hatte er beides im Sortiment: anteilig mehr deutschsprachige Postkarten, aber auch einige slowenisch bedruckte Varianten des Narodni dom. Dabei kombinierte er die Ansicht des Versammlungshauses nicht nur mit dem Paar in Tracht in einem übrigens fragwürdigen alpinen Setting (wir befinden uns im allenfalls hügeligen steirischen Weinland), sondern etwa auch mit dem örtlichen Stadtwappen. Von deutschnationalen Agitatoren wurde das als ein direkter Affront empfunden. So heißt es in der Marburger Zeitung: „Eine eigenthümlich ‚deutsche‘ Grazer Firma ist das Ansichtskartengeschäft A. Schlauer in Graz, Griesgasse 26. Diese Firma besitzt die Impertinenz, deutschen Marburger Ansichtskartengeschäften Ansichtskarten vom Marburger ‚Narodni dom‘ (!) mit dem wie zum Hohne darüber befindlichen Stadtwappen von Marburg und dem rein windischen Text ‚Narodni dom v Mariboru‘ sowie mit ausschließlich windischem Druck der Adreßseite, die statt Postkarte die Bemerkung ‚Dopisnica‘ trägt, – alles hergestellt in der Marburger windischen Druckerei – zum An- und Weiterverkaufe zu übersenden. Wer Marburg nicht kennt, müßte beim Anblick dieser Karte den Eindruck gewinnen, daß Marburg eine windische Stadt ist.“[2]

Deutlich wird an dieser Passage, die durch eine notorische Wiederholung des Begriffs ‚windisch‘ (abwertend für ‚slowenisch‘) auffällt, dass hier nicht nur das Motiv zum Stein des Anstoßes wurde. Vielmehr wird sichtbar, wie sehr Schrift und Sprache im öffentlichen Raum – und Postkarten können als dessen mediale Verlängerung gelten – auf gesellschaftliche Macht und Dominanz verweisen. Slowenische Terminologie auf Postkarten wurde von der Marburger Zeitung folgerichtig als Angriff auf die herrschenden Verhältnisse in der Stadt interpretiert. Und das, obwohl der Anteil des Slowenischen auf Postkarten insgesamt so verschwindend gering war.

Nähert man sich Sprachaufdrucken auf Postkarten quantitativ, so geben diese recht valide Hinweise auf Fragen gesellschaftlicher Machtverhältnisse in mehrsprachigen Regionen. Das heißt, Sprache auf Postkarten verweist weniger auf die realen Bevölkerungsverteilungen denn auf ökonomische, politische und symbolische Verteilungsverhältnisse. Für die historische Untersteiermark / Spodnja Štajerska ergeben quantitative Auswertungen eine Dominanz des Deutschen auf Postkarten von etwa 78 Prozent, und das, obwohl Deutschsprachige in dieser Region eine Minderheit darstellten. Für Maribor/Marburg muss der Anteil deutschsprachiger Postkarten noch viel höher angesetzt werden.

Übrigens heißt das keineswegs, dass Deutschsprachige nur deutsch bedruckte und Slowenischsprachige nur slowenisch bedruckte Karten verschickt hätten, dass sich auf Postkarten also ein durchgängiger „Nationalitätenstreit“ zeigen würde, wie das in der aggressiven Rhetorik der Tagespresse zuweilen den Anschein macht. Die Postkarten aus der historischen Untersteiermark / Spodnja Štajerksa zeigen keineswegs nur Spuren von Konflikt, sondern auch vielfältige Formen von Kontakt, von Sprachmischung und mehrsprachiger Kompetenz. Im Übrigen, so heißt es auch schon bei Karl Kraus, seien sich deutsch- und slowenischsprachige Untersteirer*innen gar nicht so unähnlich gewesen, hätten sich die Glantschniggs und Glančniks, die Woschnaggs und Vošnjaks viel weniger voneinander unterschieden, als das die nationalen Agitatoren beider Seiten gerne gesehen hätten. Und das erzählt übrigens auch die offensichtlich sprachübergreifend als identitätsstiftend empfundene Tracht auf dieser Postkarte, das Dirndl und die Lederhose. Aber das ist bereits eine andere Geschichte.

Eva Tropper, 6. Oktober 2020

[1] Karl Kraus, „Slovenisch-deutsch“, in: Die Fackel, 1. Jg. (1899), H. 17 (Sept.), S. 1–6, hier S. 1f. (https://fackel.oeaw.ac.at).
[2] Marburger Zeitung, 31. Oktober 1908, S. 5.

Das Postkartenarchiv POLOS ist nach verknüpften Suchanfragen durchsuchbar – etwa nach „Anton Schlauer“ und „Maribor“ –, um einen Einblick in die Produktion des besprochenen Verlags zu erhalten; siehe https://gams.uni-graz.at/search/search?hitPageSize=10&dc.coverageAsPhrase=Maribor&pid=polos&x2=http://gams.uni-graz.at/polos/polos-search.xsl&search=advanced&producerAsPhrase=Anton%20Schlauer,%20Graz&hitPageStart=11

Zu den quantitativen Auswertungen von Aufdrucken ebenso wie von handschriftlichen Elementen siehe https://gams.uni-graz.at/archive/objects/context:polos/methods/sdef:Context/get?mode=statistics



Permalink: https://postkarten.bonartes.org/index.php/herausgegriffen-detail/Sprache-und-Macht.html

Zurück