Richard Klein, Verlag Heinrich Hoffmann, beide München: „13. März 1938 Ein Volk ein Reich ein Führer“, 1938, 14,7 x 10,5 cm, farbiger Kombinationsdruck, ungelaufen; Privatsammlung

Richard Klein, Verlag Heinrich Hoffmann, beide München: „13. März 1938 Ein Volk ein Reich ein Führer“, 1938, 14,7 x 10,5 cm, farbiger Kombinationsdruck, ungelaufen; Privatsammlung

Das Spektakel einer Abstimmung

Zwei bekannte Figuren stehen für die gestalterische und verlegerische Seite der vorliegenden Postkarte. Der Entwurf der Karte stammt von Richard Klein (1890–1967), einem Münchner Maler, Grafiker und Medailleur, der bereits im Ersten Weltkrieg Postkarten mit patriotischen Motiven angefertigt hatte. Seit 1935 fungierte er als Direktor der Staatsschule für angewandte Kunst in München, nach der Erhebung zur Hochschule zudem als Professor. Schon ab 1933 hatte er Embleme und Orden entworfen, und im April 1937 erfolgte die Herausgabe einer Briefmarke mit dem Porträt Hitlers. Für die vorliegende Karte verwendete er eine Aufnahme des „Leibfotografen des Führers“ Heinrich Hoffmann (1885–1957). Dieselbe Aufnahme wird Klein für die von ihm entworfene und ab 1941 von der Reichspost herausgegebene Briefmarkenserie „Adolf Hitler“ als Vorlage für die Pfennigwerte verwenden.

Für den Verlag zeichnete Heinrich Hoffmann in München. Als Fotograf hatte er sich im Deutschen Reich bereits die meisten Rechte an Bildveröffentlichungen mit Aufnahmen Adolf Hitlers gesichert. Gleichzeitig mit der vorliegenden Karte erschien eine Ganzsache der Deutschen Reichspost mit aufgedrucktem Wertzeichen zu 6 Rpf., allerdings ohne Angabe eines Verlages, vielmehr mit Nennung jener Druckanstalt, die für den Bilddruck verantwortlich war. Im Herbst 1938 eröffnete Hoffmann als Pressefotograf eine Filiale am Kärntnerring 19 in Wien. Am 11. November folgte die Meldung an den Magistrat für einen „Verlag nationalsozialistischer Blätter“.

Zur Volksabstimmung am 10. April 1938 lauteten die beiden Fragen auf dem Stimmzettel: „Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?“ Es war jedoch nur eine einzige Antwort möglich, zudem war der Kreis, in dem das Votum angekreuzt werden konnte, für das „Ja“ wesentlich größer als für ein „Nein“. Im Vorfeld der Abstimmung erschienen an zahlreichen öffentlichen Orten Parolen, wurden Hitler-Porträts plakatiert, war das Hakenkreuz allgegenwärtig. Auch in der Presse erschienen Bild- und Textbeiträge unter dem Motto „Dein ‘Ja‘ – dem Führer!“, wie beispielsweise auf der Titelseite der Wochenzeitung Das interessante Blatt vom 7. April 1938. Im Zentrum stand eine großformatige Aufnahme Hitlers bei seiner Ansprache in Graz vier Tage zuvor, aufgenommen von dem österreichischen Fotografen Lothar Rübelt (1901–1990) und unterschrieben mit einem Zitat der Rede: „Am 10. April wollen wir gemeinsam unser Votum abgeben. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Volkes wird ein Reich gebaut nach dem Willen des Volkes selbst.“

Auf den diversen Werbeträgern war die „Wiedervereinigung“ längst vorweggenommen. So erschien bereits am 8. April 1938 eine Briefmarke der deutschen Reichspost, auf der ein Deutscher und ein Österreicher gemeinsam posieren. Der Wiener Ersttagsstempel enthielt zudem den Schriftzug: „Am 10. April dem Führer Dein ‘Ja‘“. Der 9. April, der Tag vor der Abstimmung, wurde zum „Tag des Großdeutschen Reichs“ ernannt, und dazu ebenfalls ein Stempel mit einer Landkarte fabriziert, auf der Österreich nicht mehr existierte. Auf der Anschriftenseite der Karte berührt dieser eine österreichische Briefmarke mit dem Wert von 3 Groschen und dem Bild einer burgenländischen Bäuerin. Dass die Marke um 90 Grad nach rechts gedreht ist, hieß in der „Briefmarkensprache“, die in jenen Jahren gängig war: „Nichts soll uns trennen“ oder in einer anderen Fassung: „In meinem Herzen wohnst nur Du!“. So war die „Wiedervereinigung“ auch philatelistisch vollzogen.

Das vorliegende Beispiel illustriert auf besondere Weise ein Diktum von Karl Marx aus dem Jahr 1851, das er in seiner Schrift „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" äußerte: „[D]aß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen [...]: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Das tragische Ereignis hatte, wenn man so will, bereits am 13. März 1938 stattgefunden, als die österreichische Bundesregierung unter dem Nationalsozialisten Arthur Seyß-Inquart (1892–1946) das Aufgehen Österreichs im Deutschen Reich beschlossen hatte. Das Votum vom 10. April kann nur noch als lächerliche Ergänzung bezeichnet werden. Da es sich um alles andere als eine freie Abstimmung gehandelt hat, erscheint auch der jahrelange Disput unter den Historikern merkwürdig, ob nun 99 Prozent der abstimmenden Österreicher zugestimmt hätten oder bei anderer Fragestellung vielleicht doch einige Prozente weniger und ob man Anschluss mit oder ohne Anführungszeichen zu schreiben habe.

Timm Starl



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