Der Krieg als Spektakel
In den zahlreichen Reminiszenzen zum Ersten Weltkrieg und dem Anteil Österreichs werden vielfach Bilder hervorgeholt, um das Dasein der Soldaten, das Leid der Zivilbevölkerung, die Zerstörungen in den Städten und Dörfern, das Auftreten der Kriegsherren und den Einsatz von Waffen zu belegen. Dabei wird überwiegend auf das Material der Fotosammlung des k. u. k. Kriegspressequartiers, deren 33.000 Glasplatten im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek lagern, zurückgegriffen. Dagegen finden Darstellungen aus dem k. u. k. Kriegsfürsorgeamt kaum Beachtung, obwohl dieses kurz nach Kriegsbeginn 1914 gegründet worden war und für ihre Propagandazwecke neben anderem Postkarten mit grafischen und fotografischen Illustrationen unter die Leute brachte. Das Amt fungierte als Zentralstelle für jede Art der Hilfeleistung an die Truppe und deren Angehörige, sei es die Bereitstellung von Uniformen oder die Unterstützung des Roten Kreuzes. Es finanzierte sich über Spenden und den Verkauf von Postkarten und Souvenirs.
Allerdings ist keine zentrale Stelle bekannt, in der die Fotografien und Fotoserien oder umfangreiche Teile davon archiviert worden sind. Das liegt auch daran, dass das Amt keine eigenen Fotografen oder Fotografinnen beschäftigte, sondern von Fall zu Fall Lichtbildner beauftragte, die zumeist Serien zu diversen Themen anfertigten. Gelegentlich übernahm man auch bereits bestehende Aufnahmen und veröffentlichte diese mit einem zusätzlichen Aufdruck. Meist waren es prominente Wiener Ateliers, die – wie beispielsweise d’Ora oder Helene von Zimmerauer – Porträts von Mitgliedern des Kaiserhauses oder adeligen Damen, die für das Rote Kreuz tätig waren, lieferten.
1915 mussten bereits erste Einschränkungen im Alltag in Kauf genommen werden. So hieß es in einer Kundmachung vom 2. Februar, dass die gewerbsmäßige Erzeugung von, „Gugelhupf, Krapfen, Strudel, Butter- und Germteig, Zwieback und dergleichen“ nur am Mittwoch und Samstag jeder Woche gestattet sei. Im März 1915 rief der niederösterreichische Statthalter zu größerer Sparsamkeit beim Verbrauch von Brot auf, ab April benötigte man zum Erwerb von Brot und Mehl Lebensmittelkarten. Nachdem Italien im Mai Österreich den Krieg erklärt hatte, folgten weitere einschlägige Verordnungen, und das Kriegsfürsorgeamt verstärkte seine propagandistischen Maßnahmen. Um den Menschen das Leben an der Front vorzuführen, wurden im Wiener Prater ein Schützengraben ausgehoben, Gefechtsstände errichtet und Unterkünfte angelegt. Um den Fortgang der Arbeiten und das Aussehen der fertigen Anlage zu dokumentieren, engagierte das Amt den renommierten Wiener Hoffotografen Charles Scolik, der eine Serie von Aufnahmen anfertigte.
Die Wiener Zeitung vom 22. August 1915 stimmte auf die Eröffnung des Areals ein: „Das Kriegsfürsorgeamt hat, um das Soldatenleben im Schützengraben vor Augen zu führen, den Bau eines Schützengrabens in Angriff genommen. [...] Er wird zweifellos ein getreues und interessantes Bild des Lebens unserer Soldaten im Felde bieten. Der Schützengraben befindet sich im Prater auf den Gründen des ehemaligen Lunaparks. Die Zufahrt erfolgt durch die Ausstellungsstraße, und zwar bei der dritten Haltestelle der Straßenbahn vom Praterstern aus. Der Eintrittspreis per Person wird 50 Heller betragen, für Militär und Kinder 20 Heller. Das gesamte Erträgnis fließt der offiziellen Kriegsfürsorge zu.“ An Schaulustigen dürfte kein Mangel bestanden haben, denn 1916 wurde das Terrain auf 160.000 Quadratmeter vergrößert. So gingen die verbündeten Mächte in der Werbung für den Krieg denselben Weg, nachdem auch im Berliner Westend 1915 ein Schützengraben angelegt worden war und von der Bevölkerung besichtigt werden konnte.
Timm Starl
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