Die Öffentlichkeit von Amateuren
Nachdem in den 1880er-Jahren einfacher zu handhabende Kameras und neue Aufnahmematerialien auf den Markt gekommen waren, begannen zunehmend Amateure, sich in ihrer freien Zeit der Fotografie zu widmen. Bald fanden sich Gleichgesinnte in Vereinen und Clubs zusammen und veranstalteten regelmäßige Treffen, tauschten Erfahrungen aus und zeigten ihre jüngsten Produkte den Kolleginnen und Kollegen. 1887 gründete sich als erste Institution in Österreich der „Club der Amateur-Photographen in Wien“ und zählte Ende des Jahres bereits 176 Mitglieder. 1890 folgte der „Club der Amateur-Photographen in Graz“, 1891 der „Club der Amateur-Photographen in Salzburg“.
Jene Mitglieder, die bei der Gestaltung ihrer Bilder einem gewissen Kunstanspruch huldigten, suchten nach allgemeiner Anerkennung. Sie wollten nicht nur unter sich bleiben, sondern ihre Werke auch in der Öffentlichkeit präsentieren. Seine erste Schau veranstaltete der Wiener Club vom 1. Oktober bis 4. November 1888 im K. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie (dem heutigen Museum für angewandte Kunst). Das Interesse war groß, man zählte rund 25.000 Besucher. Die Salzburger arrangierten im Sommer 1893 die „Ausstellung von Amateur-Photographien sowie photographischer Apparate, Hilfsmittel, Bücher und Zeitschriften“. Dieser folgte im Herbst an gleicher Stelle im Schloss Mirabell eine „Collectiv-Ausstellung des Club der Amateur-Photographen in Graz“. Erst 1899 gelang es den Grazern, in ihrer Heimatstadt entsprechende Räumlichkeiten im Joanneum aufzutun.
Dem Hang nach internationaler Reputation begegnete man, indem zunehmend Aussteller aus dem Ausland eingeladen wurden. Dies waren um die Jahrhundertwende vor allem Fotografinnen und Fotografen aus England und den Vereinigten Staaten, Deutschland und Frankreich, wo die Amateure sich nach und nach einer piktorialistischen Darstellung verschrieben hatten. Sie wählten Themen aus der Malerei, bevorzugten idyllische Szenarien in Innenräumen wie in der Natur, arbeiteten aufwendig in Handarbeit hergestellte Edeldrucke aus und bedienten sich anderer Methoden, um getönte und unscharfe Bilder hervorzubringen. Zu den bekannten Vertretern dieser Richtung in den USA gehörte der New Yorker Rudolf Eickemeyer (1862–1932).
Dass man in Graz noch wenig Erfahrung mit ausländischen Teilnehmern und fremden Sprachen hatte, verrät die falsche Schreibweise des Namens und des Titels seiner Arbeit „The Dance“, die 1900 entstanden war. Es war immerhin das erste Mal, dass der Club verlegerisch tätig wurde und zu einer Ausstellung einen begleitenden Katalog und Werbekarten veröffentlichte. Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Dauer des Ereignisses von Mitte Mai bis Ende Juni 1902 aufgedruckt würde, zumal es sich mit mehr als 2.000 Exponaten um die „ihrem Umfange nach [...] größte Ausstellung auf dem Gebiete der künstlerischen Photographie [handelte], welche in Österreich veranstaltet wurde“, wie die Wiener Freie Photographen-Zeitung hervorhob.
Vielleicht wollte man aber nicht im Vorfeld für die Ausstellung werben, sondern bot die „Correspondenz-Karte“ während der Veranstaltung den Besuchern als Souvenir an, das sie an den Besuch erinnern sollte. Was jedoch die Publikation der Postkarte besonders auszeichnete, war die Gestaltung der Bildseite. Denn bislang waren zwar Ankündigungen von Ausstellungen auf Postkarten bekannt, aber in der Regel zeigten sie eine Ansicht des Veranstaltungsgebäudes, manchmal auch der Stadt, in der diese stattfand. Der Grazer Club wählte jedoch für seine Serie jeweils Arbeiten, die in der Ausstellung vertreten waren.
Timm Starl
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