Bavaria Filmkunst, Film Foto Verlag, „Harald Kreutzberg“, 1943, Silbergelatine, ungelaufen, Privatsammlung

Bavaria Filmkunst, Film Foto Verlag, „Harald Kreutzberg“, 1943, Silbergelatine, ungelaufen, Privatsammlung

Ein Schelm, der Böses dabei denkt

Harald Kreutzberg ist einer der bekanntesten, wenn nicht der bekannteste deutsche Tänzer. Von Max Reinhardt 1926 für die Salzburger Festspiele entdeckt, wurde er innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling, erkennbar an dem stets kahlgeschorenen Kopf, aber vor allem dem unverwechselbaren, expressiven Tanzstil und seinen „sprechenden Händen“. Seine Spezialität waren dunkle, abgründige Charaktere und Darstellungen psychischer Ausnahmezustände.

Obgleich er zweifelsohne zur Avantgarde des Tanzes gezählt werden kann, sorgt Kreutzbergs Rolle während des Nationalsozialismus noch heute für Verwirrung. Er konnte seine Karriere nicht nur problemlos weiterführen, ja er war sogar das Aushängeschild der Nazis, wenn es um zeitgenössischen Tanz ging. Im Jahr 1943 spielte und tanzte er in seiner ersten Filmrolle in Paracelsus unter der Regie Georg Wilhelm Pabsts. Es war ein abendfüllender Spielfilm, über den im 16. Jahrhundert tätigen, innovativen Schweizer Arzt Paracelsus, der von dem NS-Regime als „staatspolitisch und künstlerisch wertvoll“ eingestuft wurde. Die filmische Aufarbeitung dieser Biografie mag auf uns heute unverfänglich wirken, allerdings war die historische Figur des Paracelsus ein heißdiskutiertes Thema der Zeit. Goebbels Propaganda folgend, sahen die Nazis in dem mittelalterlichen Arzt einen Mann des Volkes, einen Rebell gegen die von kapitalistischer Gier getriebene, intellektuelle Elite, der nicht davor zurückschreckte, unliebsame Bücher zu verbrennen. Außerdem hatte Paracelsus sich dafür eingesetzt seine Lehren in deutscher Sprache zu veröffentlichen, sodass sie der Allgemeinheit zugänglich seien. Vor diesem Hintergrund ist auch Pabsts Wahl des Themas nachvollziehbar.

Der Film war finanziell nicht erfolgreich und wird bis heute als mittelmäßig eingestuft mit Ausnahme von Kreutzbergs eindrucksvollem „Totentanz“, dem unbestrittenen Höhepunkt des Films. Er spielt den Gaukler Fliegenbein, der selbst von der Pest befallen in einer Taverne einen unheimlichen Tanz vollführt, während die Menschen um ihn herum sich wie in Trance mitbewegen, nicht gewahr, wie nahe sie dem Tod sind.

Im Rahmen der Vermarktung des Films gab die Bavaria Filmkunst auch eine Postkarte Harald Kreutzbergs im Gauklerkostüm heraus. Anstatt der sonst so typischen Tanzposen, die er für viele andere Fotografinnen und Fotografen einnahm, ist er hier im Brustbild dargestellt und lediglich die manierierte Haltung der Hand verrät den Tänzer. Ansonsten folgt das Schema den Darstellungen bekannter Schauspielerinnen und Schauspieler, die von zahlreichen Filmstudios zur Vermarktung publiziert wurden, wie im Falle des vorliegenden Exemplars, über den Berliner Film Foto Verlag, der bis 1941 Ross-Verlag hieß. Dessen eigentlicher Besitzer war Heinrich Roß, der 1934 aufgrund seiner jüdischen Herkunft fliehen musste, zuvor aber in den 20er- und 30er-Jahren der führende Verleger von Postkarten Prominenter aus der Kunst- und Schauspielszene war, bekannt als „Vater der Künstlerpostkarte“. Nach der Arisierung des Verlags erschien parallel zu Fotos der Stars wie Kreutzberg oder auch dem Schauspieler des Paracelsus, Werner Krauß, die so genannte R-Serie, mit Bildern führender NS-Politiker, Ordensträger sowie mit Militärmotiven und Kriegsliedern.

Magdalena Vukovic



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