Marianne Strobl, Wien (Eigenverlag [?]): Dampfschiff ‚Suppan‘ vor dem Landeplatz am Praterkai mit der Kaiser-Jubiläumskirche, 1921, ungelaufen, Silbergelatine; Photoinstitut Bonartes

Marianne Strobl, Wien (Eigenverlag [?]): Dampfschiff ‚Suppan‘ vor dem Landeplatz am Praterkai mit der Kaiser-Jubiläumskirche, 1921, ungelaufen, Silbergelatine; Photoinstitut Bonartes

Industrie-Photograph[in]

Auf dem Begräbnis des nautischen Direktors der ‚Ersten Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft‘ (DDSG), Karl Viktor Suppan, 1921 wurde, wie in der Wiener Zeitung vom 31. Mai des Jahres nachzulesen ist, in einem „tiefgefühlten Nachruf“ vom Generaldirektor verlautbart, dass „als dauernde Ehrung des Dahingegangenen eines der Schiffe der DDSG den Namen ‚Suppan‘ tragen werde“. Noch im selben Jahr ging der Zugraddampfer ‚Suppan‘ in der Schiffswerft Óbuda in Budapest mit der Nummer 329 vom Stapel, um fortan Dienst als Zugmaschine auf der gesamten Donaustrecke zu versehen.

Dieser Dampfer bildet dann auch das Motiv der vorliegenden ungelaufenen Karte – gerade den Landeplatz der DDSG und die damals allgemein als Kaiser-Franz-Josef-Jubiläumskirche bekannte(eigentlich: Franz-von-Assisi-Kirche) stromaufwärts passierend. Dabei handelte es ich  offensichtlich um einen offiziellen Fototermin im Auftrag des Unternehmens, denn die komplette Mannschaft ist gut erkennbar in Pose an Deck versammelt. Auf eine Darstellung „bei der Arbeit“ im Sinne einer Leistungsschau mit den sonst üblichen Anhangfahrzeugen im Schlepptau wurde verzichtet;  die Abbildung der Flotte stand hier im Vordergrund. Denn Karten wie diese konnten als Teil einer Serie von Donau-Dampfschiffen bei Ausflugsfahrten der DDSG von den Gästen an Bord erworben werden.

An den Postkarten fällt auf, dass kein  Vermerk des vertreibenden Unternehmens ersichtlich ist. Die Bildseite wiederum zeigt den Prägestempel des ausführenden Fotografen, in diesem Fall einer Fotografin, nämlich Marianne Strobl. Da auch kein Verlag auf der Karte aufscheint, ist davon auszugehen, dass Strobl als Leiterin einer ‚Kunst-Anstalt für Photographie’ im Prater die komplette Produktion der Serie übernommen hat. Bereits Jahre zuvor hatte sie zur Illustration des 1908 herausgegebenen DDSG-Reiseführers „Die Donau bis zum Schwarzen Meere“ eine Aufnahme mit Dampfern beigesteuert.

Marianne Strobl bezeichnete sich selbst – wie am Stempel ersichtlich ist – als „Industrie-Photograph“, nachdem sie sich ab Mitte der 1890er Jahre hatte als Pionierin auf dem Gebiet der Technik- und Architekturfotografie einen ‚Namen gemacht‘ hatte. Gleichwohl führte sie diesen aus berufsstrategischen Gründen lediglich in der geschlechterneutralen Abkürzung an. Das Portfolio der „Specialist[in] für Blitzlicht-Photographien“ umfasste die Dokumentation verschiedenster Projekte: eine Höhlenexpedition hielt sie ebenso fest wie den Bau der Gaswerke Wien-Simmering und -Leopoldau, Kanalbauarbeiten gleichermaßen wie herrschaftliche Villen. Aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg haben sich nur mehr wenige Fotografien von Strobl erhalten, der Abzug der vorliegenden Karte lässt sich daher mit Recht als eine ihrer jüngsten bekannten Arbeiten bezeichnen.

Martin Keckeis

 

Mein Dank geht an dieser Stelle an Ulrike Matzer, deren Publikation zur aktuellen gleichnamigen Ausstellung am Photoinstitut Bonartes „Marianne Strobl, ‚Industrie-Photograph‘, 1894-1914“ Daten und Fakten für diesen Text lieferte. Die Ausstellung ist noch bis 26. Jänner 2018 zu sehen.



Permalink: https://postkarten.bonartes.org/index.php/herausgegriffen-detail/industrie-photographin.html

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