Franz Hinterstoisser, Selbstverlag: „Ballonaufnahme von k.u.k. Major Hinterstoisser. Wien, Panorama“, Aufnahme: vor 1898, Druck: 1913 (ungelaufen, Lichtdruck, Sammlung Wien Museum)

Franz Hinterstoisser, Selbstverlag: „Ballonaufnahme von k.u.k. Major Hinterstoisser. Wien, Panorama“, Aufnahme: vor 1898, Druck: 1913 (ungelaufen, Lichtdruck, Sammlung Wien Museum)

Stadt von oben

Fotografische Luftaufnahmen von Wien gab es bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts – erstellt vom Ballon aus, etwa von Victor Silberer oder Franz Hinterstoisser. Letzterer, Militäroffizier und Aeronaut, ist auch Urheber der hier behandelten Ansichtskarte. Hinterstoisser präsentierte seine Aufnahmen und seine Ballonfotografie auch in Form von Ausstellungen und Vorträgen (Wiener Photographische Blätter, 1894, S. 36 und 51–54; ebd., 1897, S. 16–22). Doch solche Luftbild-Panoramen standen zunächst nicht jeder und jedem zur Verfügung. Auch auf diesem Gebiet brachten Ansichtskarten einen deutlichen Popularisierungs- und Egalisierungsschub. Um die Jahrhundertwende hielten erst klassische grafische Vogelschaubilder Einzug ins Motivrepertoire der illustrierten Postkarte. Auf dem Weg ins damals neue Medium dürften ihre fotografischen Pendants hierzulande ein paar Jahre länger gebraucht haben.

Einen Anlass dafür bot jedenfalls der erste Besuch des Luftschiffes Zeppelin in Wien am 9. Juni 1913 und die wenige Tage darauffolgende II. Internationale Flugwoche in Aspern. Auch Hinterstoisser nutzte diese Gelegenheit angesichts des großen potentiellen Publikumsinteresses und brachte im Selbstverlag manche seine Wiener Luftaufnahmen auf den Markt. Dem Autor sind zwei Motive aus dieser Serie bekannt, eine ist die hier abgebildete Karte. Sie zeigt den damaligen Franzensring (heute Universitätsring) mit Volksgarten und Parlament im Vordergrund sowie das Rathaus und das Burgtheater. Aber der Blick reicht über das Universitätsgebäude und Votivkirche hinaus bis zum Donaukanal. Hinterstoisser besaß klarerweise den Vorteil, dass er bei der Herstellung seiner Karten auf eigene Bilder als Vorlage zurückgreifen konnte. Vermutlich hatte er jedoch diesmal nicht (mehr) die Möglichkeit gehabt, aktuelle Aufnahmen herzustellen. So waren seine Bilder bereits älteren Datums, was freilich bei Stadtpanoramen und in längst verbauten Arealen der Ringstraße nicht so schnell ins Auge fiel. In diesem Fall ist die ‚Verjährung‘ der Fotografie, die auf der Karte wohlgemerkt nicht als ‚historisch‘ deklariert ist, auch erst beim näheren Hinsehen zu erfassen: Beispielsweise im Bereich des Volksgartens, wo das 1907 enthüllte Kaiserin-Elisabeth-Denkmal noch fehlt oder am Ring selbst, wo noch nicht die „Elektrische“, sondern die Pferdetramway fährt. So ist davon auszugehen, dass die Aufnahme noch vor 1898 entstand. (Damit dürfte sie gleichzeitig zu den ältesten fotografischen Luftbildern Wiens gehören, die auf Ansichtskarte dargestellt wurden.) Jedenfalls soll eine vergleichbare Ballonaufnahme Hinterstoissers vom Franzensring auch im September-Heft der Zeitschrift Lechner's Mittheilungen aus dem Gebiete der Photographie im Jahr 1900 abgedruckt worden sein.

Größere Ansichtskartenproduzenten konnten auf das Doppelereignis Zeppelin-Besuch und Flugwoche 1913 zeitgemäßer reagieren: So ließ der Verlag Brüder Kohn eine 16teilige Luftbildserie über Wien erstellen, nach eigenen Angaben eigens vom berühmten Luftschiff aus fotografiert. Die nächste große Verbreitungswelle fanden dann Wiener Luftaufnahmen auf Postkarten unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, herausgegeben vom Verlag "Luftbild" Ges.m.b.H.. Sie wurden allerdings nicht vom Ballon oder Luftschiff, sondern bereits vom Flugzeug aus aufgenommen.

Sándor Békési, 9. Juni 2022



Permalink: https://postkarten.bonartes.org/index.php/herausgegriffen-detail/stadt-von-oben.html

Zurück