„... und wir werden ganze Arbeit leisten“
„Wir werden morgen an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten.“ Dies waren die Worte von Emil Fey, dem damaligen Wiener Heimwehrführer und Vizekanzler im Regime des austro-faschistischen Ständestaates unter Kanzler Engelbert Dollfuß. Er läutete damit die finalen Aktionen ein, mit denen die letzten Kräfte der verbliebenen linken Gegenhegemonie in Gestalt des Republikanischen Schutzbundes zerschlagen werden sollten, nachdem Anfang Februar praktisch die komplette Führung des Schutzbundes bereits verhaftet worden war. Die Weigerung der Führung des Linzer Schutzbundes weitere Repressalien zu erdulden – die Aussage Feys galt als die ultimative Provokation – und die Entscheidung, Widerstand zu leisten, lösten am 12. Februar 1934 die gemeinhin als „Österreichischer Bürgerkrieg“ bezeichneten Kampfhandlungen in den Städten Linz und Wien, sowie an vereinzelten Industriestandorten aus.
Auf der vorliegenden, ungelaufenen Karte ist ein Resultat unter vielen dieser Zäsur in der österreichischen Innenpolitik dargestellt: Das damals als Veranstaltungsort der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in Ottakring sehr populäre und nun zerstörte Arbeiterheim zwischen Kreitnergasse und Klausgasse, erbaut in den Jahren 1906 bis 1907. Neben den Klubräumen und dem Theatersaal, der bis zu 1.500 Menschen Platz bot, befanden sich darin auch 40 Wohnungen, sowie die abgebildete Konsumgenossenschaft, hier mit der nach Granatenbeschuss zerstörten Fassade. Die Kampfhandlungen in Ottakring starteten, nachdem der Schutzbund Ottakring die Polizeistation in der Panikengasse angegriffen und sich im Arbeiterheim verschanzt hatte. Um 19 Uhr fuhren die ersten Panzerwagen feuernd durch die Hasner- und Koppstraße, am späten Abend wurde das motorisierte Infanterieregiment Nr. 3 nach Ottakring beordert und setzte den Beschuss des Gebäudes mit Gebirgskanonen fort. An dem Militäreinsatz nahm dabei der Vizekanzler Emil Fey persönlich teil. Nach einer Feuerpause gegen 4 Uhr in der Früh wurde am 13. Februar um 6:30 Uhr der Befehl zum Sturm auf das Arbeiterheim gegeben und um 8:30 Uhr das Tor gesprengt und das Gebäude besetzt.
Die Autorschaft der Aufnahme ist leider nicht nachvollziehbar. Postkarten mit Motiven aus dem Bürgerkrieg waren anonym in großer Anzahl im Umlauf, darunter solche Aufnahmen, die, über die Beschädigung von Gebäuden hinausgehend, auch menschliche Opfer zeigten. Zudem sind Fotografien von seinerzeit tätigen Pressefotografen, wie etwa Rudolf Spiegel oder Albert Hilscher, in der illustrierten Presse von damals oder nun in Archiven zu finden. Die Motive sind aber nicht zuordenbar, vor allem jene von Spiegel stehen mehr in der Tradition des Neuen Sehens. Der einbelichtete Titel verweist lediglich auf das Gebäude selbst, weder sind eine Datierung noch die Gründe für die Schäden angeführt.
Das Gebäude wurde aufgrund der Beschädigungen im Jahr 1936 abgetragen und durch einen Wohnbau ersetzt. Heute erinnert noch eine Gedenktafel an die Kämpfe von damals und an prominente Opfer der Stürmung des Arbeiterheimes, Ida Sever, sowie an ihren damals verhafteten Mann Albert, den ersten demokratisch legitimierten Landeshauptmann von Niederösterreich.
Martin Keckeis
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