Horst von Harbou: Nibelungen I, Siegfrieds Tod, Uvatypie, ungelaufen; Österreichisches Filmmuseum, Wien

Horst von Harbou: Nibelungen I, Siegfrieds Tod, Uvatypie, ungelaufen; Österreichisches Filmmuseum, Wien

Ein bunter Heldentod

Fritz Lang begann 1922 die Dreharbeiten zu „Die Nibelungen“, einem zweiteiligen Epos, das zwei Jahre später veröffentlicht werden sollte. Der erste Teil „Siegfried“ wurde wenige Monate vor der Fortsetzung „Kriemhilds Rache“ 1924 in Berlin uraufgeführt. Damals waren Standfotos oder Film Stills die bevorzugte Form der Werbung für Filme und daher kann man annehmen, dass jenes Motiv des sterbenden Siegfried aus einer 12-teiligen Serie (Nr. 405) auch diesem Zweck diente. Diese wurde wohl erst zur Veröffentlichung des Films gedruckt, das Motiv wurde aber mit Sicherheit während der Dreharbeiten 1922 aufgenommen.

Siegfried, gespielt vom Schauspieler Paul Richter, ragt der blutigen Speer aus seiner Brust hervor. Seine ausgestreckten Arme, im letzten Taumel begriffen, verdeutlichen die Dramatik der Szene. Tatsächlich existiert dieser fotografische Moment nicht im Originalfilm. Regisseur Lang, für seinen Perfektionismus bekannt, überließ bei den begleitenden Standbildern zu seinem Film nichts dem Zufall. In Horst von Harbou, dem Bruder seiner Ehefrau Thea von Harbou, hatte Fritz Lang einen kongenialen Mitarbeiter gefunden, der seine filmische Vision in die statische Fotografie übersetzte. Die beiden sollten nach den Nibelungen noch zahlreiche Male zusammenarbeiten, so auch bei Metropolis (1927) oder M (1931).

Von Harbou stellte den Tod Siegfrieds dar, als Hagen von Tronje ihn durch einen Trick unachtsam werden lässt, seine Schwachstelle treffen und ihn dadurch ermorden kann. Da die Filmstreifen im Einzelkader Bewegungsunschärfen aufwiesen, wurden die Szenen oft am Set in den Drehpausen oder nach Drehschluss für die Fotografin oder den Fotografen reinszeniert. Aber auch der filmische Raum ist ein anderer als der fotografische. Wer die Pose von Paul Richters Siegfried im Film sucht, wird dementsprechend nicht fündig werden. Geradezu antiklimaktisch wirkt die bewegte Szene im Gegensatz zur statischen Aufnahme. Da der Inhalt des mittelhochdeutschen Nibelungenlieds, der die Basis für den Film war, einen populären und vielbekannten Sagenstoff darstellte, bildete jenes Bild eine pointierte Zusammenfassung von Langs erfolgreichem Machwerk.

Der schwarzweiße Stummfilm war zwar stellenweise viragiert, aber die bunten Farben der Postkarte stellten damals sicher eine Besonderheit dar, die sich nur im Foto manifestieren konnte. Solche, Kolorierungen waren eine Spezialität des Verlegers der Karte, der Uvachrom Aktiengesellschaft für Farbenphotografie. 1917 hatte Arthur Traube die Firma in München gegründet, nachdem er seine einzigartige Drucktechnik, die Uvatypie, entwickelt hatte, ein „Verfahren zur Herstellung von Dreifarben-Photografien auf Papier“. Die Nibelungen-Serie scheint allerdings die einzige filmspezifische Reihe zu sein, da der Verlag sonst eher auf Genre-, Blumen- und Märchenbilder spezialisiert war. Obgleich besonders brillante Farben gedruckt werden konnten, ist das Ergebnis kein intrinsisches, entspricht also nicht dem Original. Farbe eignete sich aber gut für die Bewerbung schwarzweißer Filme, um die Besucher neugierig zu machen. In dem vorliegenden Beispiel, wird erst durch die Kolorierung das grausige Details des dunkelroten Blutes an der Spitze des Speeres sichtbar, das sich scharf gegen die luxuriöse blaue Tunika mit vergoldetem Gürtel absetzt. Man kann sich gut vorstellen, wie fantasievolle Kinogeher, die zuvor jenes Werbematerial gesehen hatten, nun im Film – wenn auch nur in ihren Köpfen – die leuchtenden Farben der Uvatypie zu dem schwarzweißen Geschehen auf der Leinwand ergänzten.

Julia Jarrett



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